Gastartikel

Interview: Mag. Harald Janisch, Sportwissenschafter, Lebensberater, Fachgruppenobmann der WKWien, Fachgruppe Personenberatung und Personenbetreuung

Herr Janisch. warum ist der Lebens- und Sozialberater in Österreich besonders geeignet, in Krisen zu begleiten.

Haris G. Janisch: Das ergibt sich aus der Tatsache, dass es – weltweit einzigartig – das Konzept, wie auch das Kollektiv der Lebens- und Sozialberatung, nur in Österreich gibt. Es fußt auf einem nachhaltigen Ansatz der Salutogenese. Denn die drei Säulen von  „food/move“ & „social mind“ sind letztendlich für die Gesundheit von Menschen maßgeblich verantwortlich.

Wie gestalten sich diese Säulen der österreichischen Lebensberatung im Detail?

Die erste Säule ist die psychosoziale, welche den Bereich der „Geistigkeit“ des Menschen abdeckt. Darin pulsieren die psychosozialen Ressourcen der Selbstheilung, bestehend aus den mentalen Kräften, den emotionalen (insbesondere Empfinden von Freude und Glück), wie auch die mächtigsten Selbstheilungskompetenzen der Fähigkeiten zum Glauben und zur Liebe. Rückkoppelnd ist hier auch die Qualität der sozialen Beziehungen von entscheidender Bedeutung. Die zweite Säule ist die sportwissenschaftliche Begleitung: Regelmäßiger Sport in Form einer gesunden Dosis an täglicher Bewegung ist für die persönliche Gesundheit unabdingbar. Zuletzt ergänzt die Säule der Ernährungsberatung diese ganzheitliche Gesundheitsvorsorge.

Es gilt, das persönliche Ernährungsverhalten mit heilenden Natursubstanzen in Einklang zu bringen, um heilende Energie aus der Natur für sich selbst zu gewinnen. Wir erkennen in der „Corona-Krise“ eine Chance, den Menschen diesen salutogenetischen Ansatz der Lebensberatung zu vermitteln, denn faktisch kann nur der eigene Organismus mit seinen Abwehrsystemen das Virus neutralisieren. Wir, als die „Meisterklasse der Salutogenese“, vermitteln in und mit unserer Berufung professionell den Mitgliedern unserer Gesellschaft, dass sie selbst für ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit verantwortlich sind! Sie entscheiden über die Ausrichtung ihrer geistigen Ressourcen, was sie denken und fühlen, wie und was sie essen und wie sie sich bewegen, um in Summe die persönliche Selbstheilungskompetenz bestens zu optimieren. Wir sind dabei ihre Begleiter, wie sie eine Virusbedrohung abwenden oder überwinden können. Jedes Virus ist eine Herausforderung für den Organismus. Aber es ist wichtig zu wissen, dass dieser von sich aus die angeborene Anlage hat, Viren zu neutralisieren und zu überwinden.

Wie können Lebens- und Sozialberater auch im Unternehmensbereich helfen? Erkennen die Unternehmer ihren Bedarf und Nutzen?

Dieser Bereich ist enorm wichtig, und ein beachtlicher Teil unserer Mitglieder arbeitet im Kontext von Firmen. Manche LebensberaterInnen sind dabei eng mit dem Projekt „Fit2work“ des Sozialministeriums verbunden und unterstützen Betriebe in Richtung „Firmenresilienz“. Hierbei wird nach dem metaphorischen Bild des „Hauses der Arbeitsfähigkeit“ gearbeitet. Es will MitarbeiterInnen helfen, für sich ein „nachhaltiges und ganzheitliches Lebensrollenmanagement“ (Begriff aus dem WRM) zu erarbeiten. Dabei wird mit Programmen zur Verhaltens- und Verhältnisprävention versucht, den Dis-stressoren der Privat- und Arbeitswelt effizient entgegenzuwirken. Diese Bemühungen münden letztlich in ein modernes „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ (BGM), bestehend aus drei Säulen: dem +

betrieblichen Eingliederungsmanagement, (BEM), dem betrieblichen Sicherheitsmanagement (BSM) und der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF).

Der gesamte Bereich der betrieblichen BGF (Triade von „food/move & social mind“) entspricht den Tätigkeitsfeldern der österreichischen Lebensberatung und liegt rechtlich und fachlich in ihren Agenden. Diese Triade umfasst alle innerbetrieblichen Programme zur Gesundheitsprävention: von richtiger Ernährung, heilsamer Bewegung bis hin zur psycho-systemischen Aufstellungsarbeit, um z. B. Mobbingdynamiken aufzuarbeiten. Dies wird bereits von Unternehmen aller Größen mannigfaltig und erfolgreich genutzt.

Wann geht es deiner Meinung nach los mit dem Begriff Resilienz im „Mainstream“?

Die Berufsgruppe der Wiener Lebensberatung hat 2015 den Begriff „Resilienz“ zur „strategischen Speerspitze“ für alle Marketingmaßnahmen erkoren, da in einer positiven Form die Triade der Lebensberatung beispielhaft erfolgreich gebündelt werden kann. Seit dieser Zeit tragen wir diesen Begriff besonders mit dem „Wiener Resilienz-Modell“ erfolgreich nach außen, um ihn „mainstreamtauglich aufzubereiten“. Das Projekt SOS Corona haben wir seit Juli 2020 in GUTLEBEN Wien umgewandelt, um als Berufsgruppe in die Gesellschaft hinein konsequent eine positive Fremd- und Selbstinstruktion zu leben. Da die österreichische Lebensberatung sich immer mehr zum Megatrend entwickelt, wird dadurch das „Wiener Resilienz-Modell“ international den Bekanntheitsgrad des innovativsten Beratungsansatzes zur Resilienzförderung erlangen.

SYSTEMKRISE

Die Politik setzte bei der Krisenbewältigung in erster Linie auf Virologen oder Mediziner als Experten. Welche Sichtweisen der LSB wären ergänzend hilfreich gewesen zu Beginn der Krise?

Ärzte und Psychologen müssen zu allererst für ihre wertvolle Arbeit gewürdigt werden. Verantwortungsbewusste Lebens- und SozialberaterInnen kultivieren zum Wohle der KlientInnen automatisch einen guten professionellen Kontakt mit diesen Experten. Die Medizin ist prinzipiell ein großer Segen an die Menschheit, besonders weil sie Krankheitsursachen, wie z. B. Viren erkennt und adäquate Heilungsstrategien vermittelt. Zumindest wäre es wichtig, sich in einer offenen Gesellschaft, mit einem kompletten demokratischen Expertenspektrum zu beschäftigen, auch mit diametralen Gegenpositionen. In unserer Berufsgruppe können wir auch auf Experten der Gesundheitsberufe verweisen, die zu genau gegenteiligen Maßnahmen als die gewählten des „Lockdowns“ geraten hätten. Im Nachhinein lässt es sich zwar leichter beurteilen, aber auch das Faktum, dass ein Fokus auf unsere beiden Berufsgruppen der Gesellschaft sehr geholfen hätte: Die Personenbetreuung ist eine ideale Form des „social distancing“ von älteren gefährdeten Personen, aber eine flächendeckende Lebensberatung mit dem Fokus auf die Selbstheilungskräfte des menschlichen Organismus hätte viele Krisenkatastrophen verhindern können.

Absurd erscheint die Idee auf einen raschen Impfstoff zu warten, da uns die fundierte Wissenschaft erklärt: Jeder Virus mutiert oftmalig und ein Prozess für den Impfstoff für eine Virusvariante (ohne Mutation) benötigt schon mehrere Jahren. Jede weitere Mutation braucht dann weitere Jahre. Aus seriöser wissenschaftlicher Sicht darf es daher in den nächsten Monaten keinen Impfstoff geben. Falls plötzlich doch einer präsentiert werden sollte, kann dieser nur unseriös und gefährlich für die Gesundheit sein! Vielversprechender ist die „Selbstimmunisierung“ durch gesunde Lebensgewohnheiten. Diese erfolgt auch viel rascher. In der Salutogenese meinen wir unter „Selbstimmunisierung“ den natürlichen Prozess, der durch die homöostatischen Kräfte des menschlichen Organismus jeglichen Virus neutralisiert und im Kollektiv allmählich zur „Herdenimmunität“ führt. Diesen Selbstheilungsprozess vermag das Konzept und das Kollektiv der Lebensberatung optimal zu beschleunigen. Leider hat sich die politische Landschaft auf Gegenteiliges eingestimmt und Menschen „strategisch mit Angst geimpft“, sie dadurch kollektiv enorm geschwächt, anstatt zur Stärkung des Immunsystems beizutragen.

Wie äußert beziehungsweise manifestiert sich die Selbstheilung des Menschen?

Die persönliche Selbstheilungskompetenz wirkt bei sich anbahnenden Krankheiten, z. B. einer Grippe, indem der Einzelne an seinen eigenen heilsamen Handlungsmöglichkeiten experimentiert: Durchführung heilsamer Atmungstechniken, gesunde sanfte Bewegungseinheiten, Verzicht auf Suchtmittel zugunsten von Genussmittel, Einnahme von Heilkräutern aus der „Wald- und Wiesenapotheke“ und wie im alten Griechenland „Hypnos“ – durch Selbsthypnose in den heilsamen Schlaf geleiten! All diese täglich angewandten gesunden Lebensgewohnheiten, die jeder persönlich und selbstbestimmt für sich kultivieren kann, werden insbesondere durch eine professionelle Begleitung von Lebens- und SozialberaterInnen machtvoll im täglichen Lebensrhythmus verankert.

Das Zusammenspiel zwischen den RepräsentantInnen der Krankheitsberufe und den Verantwortlichen innerhalb der Personenberatung bzw. Personenbetreuung verlief während der Covid-Krise suboptimal. Aber nun ist der Zeitpunkt gekommen, um aus den Fehlern zu lernen und diese kongeniale Kooperation neu zu justieren. Denn die Erfahrungen haben gezeigt, dass Krisen dieser Art am besten mit den Fertigkeiten und Fähigkeiten einer selbstwirksamen gesunden Lebensweise gemeistert werden können – Aber dazu braucht es eben das ExpertInnenkollektiv der österreichischen Lebensberatung.

Hätte es aus Sicht der Lebens- und Sozialberatung eine Möglichkeit gegeben den Lockdown zu vermeiden? Denn auch die Isolation kostet einen gesundheitlichen Preis.

Zu Beginn der Krise waren wir alle wegen des Unwissens über das Ausmaß an Gefahren und möglicher Todesfälle in großer Sorge. Besonders die totalitäre menschenverachtende Politik Chinas hat hierbei die Angstdynamik global geschürt, weil bis Februar 2020 seitens der chinesischen Führung keine notwendige Transparenz gelebt wurde. So konnten „infizierte“ Chinesen nach den chinesischen Jahresfeiern in alle Teile der Welt fliegen und die Pandemie ungehindert beflügeln. Auf Europa bezogen gelangten so Chinesen in die „Hinterhöfe der Schwarzarbeit italienischer Modefirmen“ in der Lombardei, wodurch auch infolge wohl Tirol zum Epizentrum wurde. Diese Intransparenz und Unwissenheit beflügelte auch Horrorszenarien der Politik. Wir, in verantwortlichen Positionen, konnten uns keine Fehler leisten und ließen unsere strategischen Handlungen von der Angst leiten. Ich hatte definitiv Furcht, durch ein Fehlverhalten meinerseits indirekt Todesfälle innerhalb von Familien meines Teams verantworten zu müssen. Mittlerweile blicke ich um Erfahrungen und Erkenntnisse bereichert zurück. Wenn ich dann Menschen treffe, die ähnliche Erfahrungen wie ich hatten, nährt sich die innere Wut über internationale und nationale Entscheidungsträger aus Medizin und Politik, die trotz besserem Wissen weiterhin die Karte der „Angststrategie“ zückten, um das Volk mittels perfider Angstdynamiken in Schach zu halten. Würde es wirklich um den „kollektiven Gesundheitsschutz“ gehen, würde dem Kollektiv der Lebensberatung vielmehr Bedeutung geschenkt und ihm mehr gesellschaftliche Verantwortung übertragen werden. Und der eigentlichen Bedrohung dieses Lockdowns wurde und wird kaum bedeutender Raum gegeben: die „Zerstörung psychischer, familiärer und materieller Sicherheit“ durch flächendeckende Auflösung existenzieller Sicherheitsfaktoren, wie Arbeitsplätze, heilsamer Sozialräume und finanzieller Ressourcen. ExpertInnen wie Dr. Martin Sprenger verwiesen auf diese realen Gefahren des Lockdowns, wurden aber als Berater der Regierung ignoriert.

Anmerkung der Autoren: Bezüglich Dr. Martin Sprenger geschah im März 2020 das Folgende, entnommen aus einem Interview mit Hinterzimmer:

Am 26.3 war das Ziel des Lockdowns zu 100 % erreicht, den Zusammenbruch des Gesundheitswesens zu vermeiden. In einer Onlinesitzung mit Bundeskanzler Kurz und Gesundheitsminister Anschober, herrschte Einigkeit darüber, dass die Maßnahmen nicht weiter verschärft werden müssen. Zuwachsraten Neuinfektion gefallen, Abflachung der Kurve extrem gut gelungen, Verdoppelungszeit nach oben gegangen – nur 96 Personen auf Österreichs Intensivstationen. Einhellige Meinung in der Regierungs- Taskforce: Bald kann über Lockerung nachgedacht werden. Der weitere Verlauf der Zahlen in den nächsten Tagen bestätigte dies. Dann kam es zu einer Pressekonferenz, mit der Bundeskanzler Kurz die Menschen erschütterte: „Die Ruhe vor dem Sturm.“; „Bald wird jeder jemanden kennen, der an Corona gestorben ist.“;  „Und bald kann es 100.000 Tote zusätzlich in Österreich geben.“ Für Dr. Martin Sprenger waren diese Aussagen völlig faktenbefreit, ein Rückfall von der Sachpolitik in die Machtpolitik: „Warum so eine Eskalation der Angst?“, statt sich für den Diskurs zu öffnen. Anfang April trat der Gesundheitswissenschaftler Martin Sprenger (MedUni Graz) aus der Taskforce zurück.

(https://www.bing.com/videos/search?q=hinterzimmer+youtube+Martin+sprenger&docid=607999444445958056&mid=EAD85278C27E02C5C881EAD85278C27E02C5C881&view=detail&FORM=VIRE, zuletzt abgerufen am 17.7.2020)

Es muss die Frage gestellt werden: Was macht es stattdessen mit Menschen, wenn man sie ständig in Todesangst versetzt?

Wissenschaftliche Studien belegen besorgniserregend, wie „dauerhafte Angst“ wegen der psychoneurobiologischen Wirkungsketten den gesamten Organismus schädigt. Todesangst ist ein gefährlicher Disstress, der unser Immunsystem massiv schwächt. Disstressoren erzeugen im Körper belastende Hormoncocktails und unterdrücken die Selbstheilungskräfte. So sorgt ungesunder Stress für zu viel glukokortikoides Cortisol, welches mit der Zeit im Körper organschädigend wirkt. Im Wiener Resilienz-Modell thematisieren wir die Wirkungsketten von Stress, Angst und Psychosomatik, um daraus für sich einen gesunden Handlungsplan ableiten zu können, besonders um Angst in Vertrauen wandeln zu können.

Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie über den Sommer, nach der ersten Phase der Krise?

Die wichtigsten ersten Schritte in den Phasen des „postcorona“ sollten dem Prinzip „Krise als Chance“ dienlich sein. Und das bedeutet, den Menschen zu helfen, sich selbst in ihrer psychoneurobiologischen Wirkungsweise besser verstehen zu lernen, um die eigene Selbstheilungskompetenz zu optimieren.

Im kollektiven Gedächtnis der Gesellschaft wird Corona mit „Vermummung durch Maske“ und „sozialer Isolation“ verbunden sein, wie auch mit dem Ausgrenzungsbegriff der „LebensgefährderIn“. Insgesamt bleibt das Unbehagen über fragwürdige Bewältigungsstrategien, denn schon jetzt können wir in der Retrospektive des letzten Halbjahres klar festhalten: Unterschiedliche Wege diverser Länder dieser Erde kommen letztlich zu ähnlichen Ergebnissen – so gesehen hätte ich den vorgeschlagenen Weg unserer Berufsgruppen favorisiert: Social distancing von Risikogruppen unter Einbindung der Ressourcen unserer Berufsgruppen der Gesundheits- und Daseinsvorsorge!

Obschon der Krisenstab der Bundesregierung schlecht beraten war, unsere Berufsgruppen der Personenberatung & -betreuung nicht einzubinden, haben wir autonom, unserem inneren gesellschaftlichen Auftrag folgend, eine Initiative zur Hilfe der Bevölkerung ins Leben gerufen: SOS Corona! Diese Plattform fungierte als Drehscheibe für psychosoziale Krisenintervention bei psychosozialen Problemfeldern der Bevölkerung. Mit einem eigenen Krisenstab für die Organisation der Personenbetreuung wurden die PersonenbetreuerInnen und Agenturen der „24 Stunden Betreuung“ aus allen EU Herkunftsländern von uns als WK Interessensvertretung bestens organisiert, um die Daseinsvorsorge für mehr als 30.000 österreichische Familien (alte und erkrankte Menschen) trotz der Krise zu ermöglichen. Durch unsere gesamten Initiativen konnten wir dadurch vielen tausenden Menschen Sicherheit, Stabilität und Vertrauen vermitteln, diametral zu den Ängsten, die andere verantwortliche Strukturen schürten!  

In diesem Sinne geht es also darum, in der Bevölkerung mehr Bewusstsein über den eigenen Organismus zu erlangen und nicht immer primär aus einem einseitigen reduktionistischen, pathologischen Weltbild der Schulmedizin heraus zu agieren. Kritisch gilt es zu überprüfen, ob verborgene finanzielle oder politische Interessen hinter solchen Angststrategien stecken. Eine moderne demokratische Gesellschaft hat darauf ein legitimes Anrecht!

Inwieweit spielen Isolation und Aggression im Themenfeld Resilienz in dieser aktuellen Zeit eine Rolle?

Angesichts der noch zu erwartenden existentiellen Katastrophen, die diese zu evaluierenden Lockdown-Maßnahmen noch zu Tage liefern werden, wird die Aggression der Bevölkerung zum Hauptthema avancieren. Vielen Menschen wurde das Grundrecht zur Arbeit genommen und damit der Weg in die Armut geebnet. Frei nach Brecht ist zu befürchten, dass mit dem „Mangel an Fressen“ auch ein Mangel an Moral“ zu erwarten sein wird. Ein Blick in die Geschichte bezeugt  in solchen Fällen kathartische Entladungen durch revolutionäre Eruptionen. In manchen Ländern brodelt es bereits, nur gute und wirksame finanzielle Auffangprogramme können dem entgegenhalten. Wie schon einst Viktor Frankl postulierte „Wer ein Warum im Leben hat erduldet jedes Wie“, kann die gesellschaftliche Resilienz nur durch Hoffnung auf ein gutes Ende gestärkt werden. Wer es als Verantwortlicher in Politik und Wirtschaft verabsäumt, Menschen realistische Hoffnungen auf ein gutes Ende zu machen, wird eher die Wut der Bevölkerung erleben, die dann die Folge einer verfehlten Isolationspolitik sein wird!

Kurzfristig war aber der Prozess der sozialen Isolation auch eine Befreiung und eine gezwungene Auszeit, um sich von den Folgen der Leistungsgesellschaft zu erholen. Viele KlientInnen berichten von schönen Zeiten im Kreise der Familie, von einer wertvollen Auszeit, um eigene Projekte vertiefen und finalisieren zu können. Würde sich nicht die kommende „existentielle Krise“ wie ein gesellschaftliches Gewitter langsam zusammenbrauen, und könnten wir ab sofort den Normen folgend weiterleben, so wären die Zeiten der Schließung für viele Menschen eine heilsame Auszeit gewesen. Aber nachdem weiterhin mit Angstdynamiken gearbeitet wird, ist leider zu befürchten, dass die Spätschäden dieser COVID-19 Pandemie zukünftig noch viele gesellschaftliche Brüche und Katastrophen bewirken werden.

PIONIERE:

Wir betrachten in diesem Buch, beim Wiener Systemischen Resilienz-Modell, auch die Wurzeln speziell in der Wiener Tradition. Welche der Wiener Pioniere haben Sie persönlich besonders beeindruckt?

Der Begriff Resilienz ist aus der Physik entlehnt, wie auch der Begriff Stress. Geprägt wurde das psychoneurobiologische Wirkfeld rund um den Begriff Stress durch den Austrokanadier Hans Seyle, der in Fachkreisen als der „Papst der Stressforschung“ gilt. Ich persönlich habe 1993 in den USA Stress-Management an der North Eastern University studiert und dort bei dem jüdischen Arzt und Stressexperten Dr. Greenberg mir die wichtigsten Strategien zum Thema „Bewältigungsstrategien von Disstress“ angeeignet. Die Essenz dieser Studien bilden den wissenschaftlichen und fachlichen Rahmen des Wiener Resilienz-Modells(WRM). Resilienz ist die logische Weiterentwicklung des Verständnisses rund um die Stressdynamiken. Es geht dabei um die persönliche Erarbeitung von Strategien, wie auf der Grundlage der „Greenberg‘schen Stressstrasse“ die Resilienz eines menschlichen Organismus gestärkt werden kann. Die wichtigsten Säulen der Resilienz münden letztlich in ein modernes Lebensrollenmanagement auf der Grundlage aller heilsamen Interventionen, wie die Selbstheilungskräfte eines Menschen optimiert werden können.

Erfolgversprechend sind diese Schritte aber nur dann, wenn der Grundsatz der heilsamen zwischenmenschlichen Begegnung (definiert durch Jakob Levi Moreno) erfolgreiche Anwendung findet. Die Kaiserstadt Wien war historisch immer eine Metropole für Denker, Philosophen und Reformer. Auch Heiler und Künstler wurden von dieser Stadt magisch angezogen. Epochale gesellschaftliche Umbrüche bildeten in Wien einen Nährboden der kulturellen und wissenschaftlichen Vielfalt, in dem sich viele Vertreter interdisziplinärer Wissensgebiete gegenseitig inspirierten. Obschon um 1850 an einer Universität in Deutschland mit Wilhelm Wundt der erste Lehrstuhl für Psychologie geschaffen wurde, war Wien trotzdem ein Hotspot für den Psychologie-Boom des 20 Jahrhunderts. Die drei Wiener Schulen der Psychologie „gebärten große Meister“, die in Summe das Fundament für die globale Expansion der Psychologie bildeten. In meinem Psychologiestudium in Graz erlebte ich noch persönlich Viktor Frankl bei einer Gastvorlesung. Er gilt in alle Ewigkeit als der „Papst der Sinnfindung“. Insgesamt ist er als Person und mit seinem genialen Ansatz eine Säule in meinem Inneren, dem ich in allen Phasen seines Lebens mit großem Respekt begegnete. Er war kongruent und wertschätzend bis zu seinem Tode und sein beraterischer Ansatz zur „Sinnoptimierung“ wird in die Ewigkeit der Menschheit bestehen bleiben. In dieser Liga der Meisterklasse reiht sich Jakob Levi Moreno ein, der mich besonders mit seiner Anthropologie und seinem methodischen Ansatz des Psychodramas faszinierte. Persönlich könnte ich meinen methodischen Ansatz durchaus als die Verbindung beider Schulen bezeichnen – also als „Logodrama“! Aber ohne den jüdischen Existenzphilosophen Martin Buber, der in Wien lehrte und ohne C. G. Jung, wie auch ohne Alfred Adler hätten die Wiener Schulen der Psychologie niemals so machtvolle Eindrücke in der Welt hinterlassen. C. G. Jung definierte den Begriff der „Individuation“, Alfed Adler wurde in Wien ein machtvoller Vertreter der Individualpsychologie. Martin Buber postulierte philosophisch die Basis für die „Ich-Du-Wir Relationshypothese“ von Milton Ericson, indem Buber meinte: “man könne nur von einem Du zum Ich werden“! Wilhelm Reich schuf mit seinem Ansatz der Vegetotherapie, ganz zum Missfallen der Freudianer, eine neue Form der Körperpsychotherapie. All diese Ansätze und psychologischen Schulgründer haben mich in meinem Studium in Psychologie, in meiner Ausbildung zum Lebensberater und in meinem Wirken als psychologischer Berater prägend beeinflusst und geholfen, meine persönlichen Beratungsinterventionsmethoden herauszuarbeiten.

Sie alle bilden eine wesentliche Basis für die Entwicklung des Konzeptes der Resilienz. Ein weiteres geistiges Bollwerk bildete Sir Karl Popper, der sich – auch in Wien lebend – großer ideologischer Gefährdungen ausgesetzt sah: dem Austrofaschismus, dem Austrokommunismus und dem Austroklerikalismus. Er betrachtete diese totalitären Ideologien als einen menschenverachtenden Angriff auf die Freiheit des Menschen, weil sie eschatologische notwendige Kriegsszenarien vertraten und eine Diktatur als Notwendigkeit der Geschichte postulierten. Mit seinem Denkwerkzeug des „Kritischen Rationalismus“ schenkte uns Popper ein edles und machtvolles intellektuelles Werkzeug, um durch konsequentes kritisches Hinterfragen „jeglichen Anfängen totalitärer Gesinnung zu wehren“. Für Resilienz ist es unabdingbar, sich gegen jegliche bösartige Manipulation durch Menschen „geistig zu erwehren“!